Artikel im Schwäbischen Tagblatt vom 22.11.2000

Am besten jeden Tag

Fotografie-Heinz Heiss,Tübingen
Photographie Heinz Heiss,Tübingen

Malen ist für Andreas Jauss Serien-Arbeit in schwarz-weiß

KIRCHENTELLINSFURT. Man sieht Momentaufnahmen. Ohne störende Bilderrahmen dazwischen: Eine einsame Kuh auf der Weide. Ein Matrosenaufmarsch. Einfaches Mobiliar. Andreas Jauss malt das in einer konstatierenden Nüchternheit und erklärt den Zusammenhang der Motive mit einem Zitat aus dem Tarkovskij-Film "Stalker": "So ist das Leben und so sind wir.
Eine parzellierte Wirklichkeit ist es aber doch, geordnet nach strengen Regeln. Die Arbeiten messen alle 30 auf 40 Zentimeter. Alle sind sie schwarz-weiß. "Wenn Bilder farbig sind", meint der 1960 geborene Künstler, "wirkt das immer so anekdotisch." Schwarz-weiß dagegen hat für ihn einen dokumentarischen Charakter. Eine nüchterne Bestandsaufnahme, die Jauss unter dem Titel "Der Stand der Dinge" sammelt. Die Bilder sind alle in derselben gleichmütigen Faktur gemalt, die gar nicht zwischen den dargestellten Dingen werten möchte. Ein leidenschaftsloses Zeigen. Wichtig ist ihm bei der Arbeit nur, rechtzeitig damit aufzuhören, bevor die Bilder zu sehr einem Foto gleichen. Der sichtbare Pinselstrich soll deutliche Signatur des Malens bleiben.










Andreas Jauss schätzt Maler wie Lucian Freud oder Eric Fischl, die sich beharrlich an der Figuration abarbeiten. Und natürlich Edward Hopper, dessen geheimnisvolle Weite man auch in seinen Bildern sehen kann. Jedenfalls geben sie in ihrer demonstrativen Offenheit Rätsel auf. Sie zeigen sich. Und verkneifen sich alle weiteren Erklärungen. Wie Standbilder, die sich erst im Ensemble zu einem Film fügen, in dem die Detallaufnahmen jedoch immer auch umgruppiert werden können. Der Gesamteindruck soll aber ausgewogen sein. Wird ein Bild verkauft, schaut Jauss bei der weiteren Arbeit schon danach, dass die Motivbalance durch einen entsprechenden Neuzugang wieder stimmt. Die Beschränkung auf das Standard-Format begleitet ihn seit seinem Studium an der Karlsruher Akademie. "Man kann nicht einfach drauflos malen." Kunst braucht ein Konzept, um die Beliebigkeit einzugrenzen und doch noch offen genug zu sein. Die selbst gewählten strengen Vorgaben erleichtern dabei die Arbeit. Weil man gelernt hat, mit dem Regelwerk umzugehen, meint Jauss, kann das die Qualität der einzelnen Arbeiten nur anheben. Noch jedenfalls fühlt er sich durch die Maßgabe des Formats und der Farbbeschränkung nicht eingeengt.
Das Prinzip der Serie bei ,"Der Stand der Dinge" erzwingt auch nicht immer neue Originalität. Da dürfen ganz banale Dinge gemalt werden. Schon ist man mitten in der Arbeit. Das Machen. Das Malen. ,"Mir ist der Vorgang des Malens wichtig", sagt Jauss. Deswegen fiel seine Wahl auf die Karlsruher Akademie, die unter den deutschen Kunsthochschulen den Ruf hat noch eine Akademie der Maler zu sein Weil immer wieder vom Tod dieser Zunft gesprochen wird, ist es wenig verwunderlich, dass viele Studenten gerade an der Akademie mit dem Malen aufhören. Auch Andreas Jauss hat während seines Studiums (1992 bis 98) mit Video experimentiert und doch stets an der Malerei festgehalten. Eine ständige Herausforderung: ,"Malen ist eine Beschäftigung, an der man jeden Tag arbeiten kann." Besser: Jeden Tag arbeiten muss. Nicht nur part-time. Nach einer kaufmännischen Lehre sah das für Andreas Jauss erst einmal so aus, das unter der Woche die Lohnarbeit kam, am Wochenende dann die Malerei. Mit einigen Ausstellungen sammelte er "schon ein bisschen Anerkennung", bevor er den Sprung an die Akademie wagte. ,"Ich wollte nicht im Stadium des Freizeitmalers verharren." Denn irgendwann zu bereuen, es nicht wirklich mit der Kunst versucht zu haben: "Das Risiko war mir zu groß." Geld kommt noch über Teilzeitarbeit im Stuttgarter Lindenmuseum in den Haushalt. Ansonsten sind die Produktionskosten knapp gehalten: Sein Atelier ist einfach ein Teil der Wohnung. Kleine Räume. Niedrige Decken. Prekäre Lichtverhältnisse. Bestimmt nicht die optimalen Arbeitsbedingungen. Aber es reicht. Gemalt wird am Tag, und abends geht es nach nebenan, an den Computer, an dem auch Fotovorlagen für seine Malereien bearbeitet werden. Selbst gestaltet hat er auch seine Hömepage (www.jauss.de). Mit einem ersten Erfolg: Dass im nächsten Jahr eine Ausstellung mit seinen Arbeiten in Cbicago zu sehen sein wird, hat sich durch die Internet- Präsenz ergeben. Der Computer ist ihm ein technisches Hilfsmittel Bloßes Handwerkzeug. Die Kunst kommt dann hinterher, beim Malen, an dem Andreas Jauss gerade wieder das handwerkliche Machen interessiert. Weniger Widersprüche als Spannungsverhältnisse. Wenn er mal einige'Tage nicht ge- malt hat, sagt er, fühle er sich jedenfalls unwohl. Und was hat einen überhaupt an die Staffelei getrieben? Klar, das Bedürftüs, kreativ zu sein. Bedächtig wiegt Andreas Jauss die Worte: ,"Es ist irgendwie ein Mangel, aus dem heraus man anfängt."

Thomas Mauch

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